04 Oktober 2006

So liebe Blogger jetzt gehts ins Staatsarchiv

Mecker-Blogs ins Staatsarchiv

Das deutschsprachige Internet wird zum Staatsschatz: Ein Bundesgesetz vom 22. Juni 2006 schreibt vor, dass alle "Medienwerke in unkörperlicher Form" bei der Deutschen Nationalbibliothek abgeliefert werden müssen, andernfalls drohe ein Bußgeld in Höhe von bis zu 10.000 Euro. Wie sehen die Aktenschränke aus, in denen die Bibliothekare Blog-Einträge und Foren-Postings aufbewahren?

1. Mecker-Blogs ins Staatsarchiv
2. Hausaufgabenhilfen im Bücherarchiv
3. Was ist deutsch?

Bereits seit Mitte der 90er Jahre machen sich Gesetzgeber Gedanken darüber, wie ausschließlich unkörperliche, also digitale Medien der Nachwelt erhalten bleiben können. Am 22. Juni 2006 beschloss der Bundestag, während die Nation im WM-Taumel von Spiel zu Spiel eilte, das höchst sonderbare Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek (DNBG), das eine Woche später in Kraft trat und vorschreibt, dass Autoren ihre Internet-Seiten ablierfern müssen, und zwar "vollständig, in einwandfreiem, nicht befristet benutzbarem Zustand und zur dauerhaften Archivierung durch die Bibliothek [...] binnen einer Woche seit Beginn der Verbreitung" (Paragraph 16 DNBG).

Müssen die großen Portale nun hunderttausende Seiten ausdrucken, die Druckseiten in ein großes Paket packen und nach Leipzig schicken, die Aktualisierungen im Wochenrhythmus hintendrein? Und was ist mit den ganzen Blogs und privaten Homepages? Jeder, der ein Webangebot im Netz zur Verfügung stellt, ist laut Gesetzesbeschluss nun dazu verpflichtet, eine Kopie des Angebots auf eigene Kosten nach Leipzig zu senden.

Sammeln und drucken

Der Gesetzestext liefert eifrigen Internettern kräftig Material für Spott und Häme. Allerdings ist die Intention der Gesetzgeber richtig und gut, denn mit der Überarbeitung des vormaligen DNB-Gesetzes werden ausschließliche Internet-Publikationen gleichgesetzt mit Magazinen, Zeitungen und Büchern aus Papier. Die Deutsche Nationalbibliothek mit Sitz in Leipzig, Frankfurt und Berlin sammelt unter diesem Namen seit 1990 deutschsprachige Print-Werke, bislang insgesamt über 22 Millionen Einheiten.

Bereits seit 2004 gibt es eine Regelung, gemäß der Autoren und Verlage ihre digitalen Werke der Deutschen Nationalbibliothek zugänglich machen können. Dazu steht ein FTP-Server bereit, den Autoren und Verlage nach Anmeldung auf der Homepage verwenden, in dem sie ihre Web-Inhalte in ein Zip- oder Rar-Archiv packen und nach Eingabe ihrer Anmeldenummer die HTML-Seiten, Fotos, Ton-Dateien und Verweis-Listen nach Leipzig, Berlin und Frankfurt übertragen. Eine Frage bleibt allerdings ungeklärt: Wie wird dem dynamischen Charakter von Web-Inhalten Rechnung getragen?
Hausaufgabenhilfen im Bücherarchiv

Im Gegensatz zu einem gedruckten Buch lässt sich eine Internet-Seite ohne großen Arbeitsaufwand und praktisch kostenlos überarbeiten, jederzeit und sogar ortsungebunden. Die Nationalbibliothek hat allerdings den Auftrag, "die ab 1913 in Deutschland veröffentlichten Medienwerke und die ab 1913 im Ausland veröffentlichten deutsch­sprachigen Medienwerke" zu sammeln, [...] "zu inventarisieren, zu erschließen und bibliografisch zu verzeichnen, auf Dauer zu sichern und für die Allgemeinheit nutzbar zu machen" (§ 2.1).

Wie lässt sich allerdings eine Zip-Datei mit 3.500 Webseiten nutzen? Müssen Gesundheitstipps und pornographische Seiten genau so gesammelt werden wie Online-Reportagen renommierter Nachrichtenmagazine? Die Homepage der Bibliothek gibt vage Auskunft darüber, denn vor allem die Zugänglichmachung ist ein Problem: Für eine rechnerintensive lokale Suchmaschine fehlen Geld und Erfahrung.

Weblogs im Staatsarchiv

Während das Abgabeverfahren zumindest provisorisch geregelt ist, besteht bei den Bibliothekaren Unklarheit über die Inhalte. Grundsätzlich möchte die Nationalbibliothek alle relevanten Seiten von öffentlichem Interesse sammeln. Allerdings sollen zunächst nur Verlags-Werke und wissenschaftliche Veröffentlichungen in die virtuellen Dateikästen sortiert werden, dabei stets nur die "relevanten Teile" des Gesamtangebots, also keine Werbe-Anzeigen, Download-Beschreibungen und Mecker-Foren.

Private Homepage-Betreiber müssen nicht damit rechnen, 10.000 Euro Bußgeld zahlen zu müssen, wenn sie ihre Seiten nicht innerhalb einer Woche abliefern. Zwar beschreibt der Paragraph 19 des Gesetzes die Nichtablieferung als Ordnungswidrigkeit, die dann eintritt, wenn "ein Medienwerk nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig" abgeliefert wird. Allerdings steht am Ende des Paragraphen 16 in ominöser Form: "Medienwerke in unkörperlicher Form können nach den Maßgaben der Bibliothek auch zur Abholung bereit gestellt werden."


Nun noch ein Kommentar von klein Antje! Spinnen die Bibls? Also ich werde mich weiter mit dem Thema beschäftigen und euch auf dem laufenden halten is ja mein Beruf so irgendwie und ich find es sau interessant was haltet ihr davon?

3 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Glaube nicht so wirklich an die Durchsetzung dieses Gesetzes!

Wobei dadurch sicher viele neue Arbeisplätze entstehen könnten.

Irgenwie find dies Gesetz Banane!

www.bananaphone.de

Boxen an und los geht´s!

Anonym hat gesagt…

sehr interessant, habe noch nie davon gehöört. kennst du wen, der sich dem beugt? Sicher nicht. Naja, ist ja nocht so schwer für die, rauszufinden, wo sich Blogs befinden, solln se mal kommen, aber bitte mit Vorwarnung. Was ein Scheiß, die solln sich doch freun, dass soviele Menschen der Beschäftigung des Bloggens nachgehen...oder besteht das Dichter und Denkerland demnächst lieber nur noch aus Ausssprüchen wie "Ey alter, was gehhtnn?"

Nijntje hat gesagt…

Herliche Zeiten :-)

ISSN-Nummern für alle!
Bekommt man die dann gleich auf die Geburtsurkunde eingetragen, sind wir dann alle Zeitschriften?
Cool!!!

Herrlcih
Kinderbriefe müssen dann sicher auch bald archiviert werden. Und sobald ein Wort auf dem Bild steht, ist es nen Schriftstück.. Mütter vereinigt euch und schickt alle Bilder ans Archiv!
Nie wieder kein Platz am Kühlschrank oder an der Wand!
Lebenslang.. nein, über Generationen verewigt.. die ersten Schreibversuche...
Ich bin auch dafür, dass Schulhefte archivierungswürdig werden. Dann weiß man doch immer, wo sie sind.

Und ausserdem...
Das ist DER Jobmotor!
So schaffen wir Vollbeschäftigung.
Wenn dann der Dateneingang bearbeitet werden soll.
Dann können wir wieder Gastarbeiter imporiteren, weil wir nicht genug Leute haben :-)

Aufschwung, du bist da!

:-)